Brigitta Malche
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„A schöne Leich“ – das Begräbnis als Opernaufführung
Das geflügelte Wort „a schöne Leich“ meint ein prächtiges Ritual, um ein Leben unvergesslich und den sozialen Status des Verstorbenen sichtbar zu machen. Prachtvolle Hausaufbahrungen, Leichenzüge mit Trauerpersonal in Galauniform, wienerisch die „Pompfüneberer“ – heute als Ritualbestatter bekannt – Reiter und Kutschen erheben das Ableben zu einem denkwürdigen Fest, das von nekrophilen Wiener Gaffern seit jeher als geradezu erotisierendes Spektakel wahrgenommen wird. Letztes grandioses Beispiel für Wien war 1989 die Beisetzung von Zita Bourbon-Parma in der kaiserlichen Kapuzinergruft der Habsburger.
Die Wiener sind Profis für Trauerfälle. Sie nannten Gevatter Tod kokett „Pepi Onkel“ und markierten ihn damit als netten Verwandten. Ein bisschen morbid muss die Bestattung trotzdem sein, sonst „is ka Hetz“.
Ironie und Tragik sind in Wien eng verschwistert. Der schmerzhafte Humor versüsst die Bitternis. Auch scheinbar Lächerliches entlarvt Wahrheit, die Satire legt sich über unausweichliche Widerlichkeiten. Widersprüchlichkeit, Feingefühl und Bosheit tun ein Übriges, um das Leben im Griff zu halten, und auch das bescheidenste aller Leben soll etwas Glanz bekommen. Das Wort vom Abgang hat eine tiefe Bedeutung.
Wien kokettiert mit dem Tod. Dieser Flirt auf verschiedenen Ebenen führt tief ins Barock und kann zudem als mentales Erbe des Vielvölkerstaates verstanden werden. Der Tod als Vertrauter war tief verwurzelt im Denken. Die Theorie zum Todestrieb konnte Freud nur in Wien entwickeln.
Inhaltlich bezieht sich meine Arbeit auf die Zweideutigkeit des Begriffs „a schöne Leich“. Daher die Teilung meines Bildes: oben Pomp und unten Trauer, oben Spiel und unten Wahrheit, oben Ironie und untenTragik. Ein Vanitasbild nach Holbein und der Schnittbogen zum Selberbasteln von Leichenwagen oszilliert zwischen Verniedlichung zum Heimgebrauch und veritablem Schrecken. Mit Hilfe von wohlmeinendem Spott und unvergesslicher Tradition finden Predella und Tafelbild eine gedankliche Nähe und erklären diese typische „Wiener Mischung“ von der Lust am Tode.
Formal greift die Darstellung des Schnittbogens auf meine Arbeiten mit Kristallformen zurück, die ich in den letzten Jahren intensiv betrieben habe. Kristallgitter und Mantelformen von Kristallkörpern vereinigen sich auf der Bildfläche mit organischen Formen, welche mit eben diesen kristallinen Konstruktionen in Mikrobereichen die eigene Gestalt aufbauen. Organisches und Anorganisches beruht auf der gleichen Essenz.
Alles Leben ist Sternenstaub, Wasser und Licht – der Tod bleibt die Zauberformel der Wandlung.
„A schöne Leich“ 2012/13
Unter Verwendung eines digital veränderten Bilddetails aus Die Gesandten, 1533,
von Hans Holbein d. J.
Der Tod verbirgt sich im Vexierbild (Anamorphose)
Diese Bildtafel stellt den Schnittbogen für einen Leichenwagen zum Selberbasteln dar –
„ ein Souvenir für zu Hause “ nach einem spannenden Besuch im Wiener Bestattungsmuseum.
In popigen Farben entfaltet sich der Bastelbogen auf der Bildfläche und hebt auf ironische Weise die Ernsthaftigkeit des Vexierbildes auf – ein Vanitasbild und ein „Halloween-Mitbringsel“,
ein Versteckspiel mit Anamorphose und Modellbogen.
Brigitta Malche: Geboren 1938 in Linz, A, lebt seit 1983 in Zürich, Studium an der Akademie der bildenden Künste in Wien (Prof.S.Pauser)
Seit 1971 freischaffend mit internationaler Austellungstätigkeit.
Techniken: Malerei, Kunst im öffentlichen Raum, meditative Licht-Toninstallationen,
u.a. als Kuratorin und redaktionell tätig.
1980-82 Gastvorlesungen an der Central Academy of Fine Arts in Beijing, VR China.
Ausstellungen: Museum Hannau (Schloss Phillips Ruhe), Kunsthaus Zürich, Secession Wien, Kunstuniversität der bild. Künste Wien, Kunsthalle Krems, Lentos Museum Linz, OÖ Landesgalerie Linz, Museum Xàntos Jànos H, und Galerien im In- und Ausland:
Schwerpunkt CH und A.